Space Odyssee
von Ina B.
APRIL 2020
Out of space. Wir schreiben das Jahr 2020.
Dies ist die Reise meines Lebens.
Um meinen Horizont zu erweitern.
Neue Welten zu entdecken.
Und dahin vorzudringen,
wo ich bisher noch nie gewesen bin.
Geschweige denn jemals hin wollte.
Als ich am 13. März im Radio hörte, was uns die nächste Zeit bevorsteht, konnte ich es nicht glauben.
Ich tat das, was viele die folgenden Wochen taten: Angst haben und Klopapier kaufen.
Mein Leben, wie ich es bis zu diesem Zeitpunkt kannte, war beendet.
Auf einen Schlag. Alles. Falsch.
Alles, für das ich bis dahin gelebt hatte, war plötzlich verboten, weg:
meine Arbeit in der Schule und mein Training im Sportstudio.
Bis zu diesem Tag hatte ich wirklich geglaubt, dass die größte Herausforderung der nächsten Monate ein schwarzer Gürtel in Kickboxen sein würde.
Was wusste ich schon.
Dabei war ich noch nicht einmal krank, in finanziellen Schwierigkeiten oder so.
Mein Tag war unerwartet total unnötig lang, eintönig, grau und leer.
Ich lernte, las, wanderte im Wald herum und litt. Qualen.
Bis zu dem Tag, an dem meine Freundin ihren Sohn bei mir parkte.
Mein Vorschlag.
Ich hatte ja zu viele Stunden mit zu wenig Inhalt und daher ganz viel Zeit.
Und sie arbeitet in einem systemrelevanten Job und brauchte jemanden für ihn.
Lernen, Hausaufgaben und so.
Kein Problem.
Was ist schon ein Kind wenn ich in Stoßzeiten mit dem Vielfachen klar gekommen bin?!
Dachte ich.
Damit trat H in mein Leben.
Drehte das Radio an, wich mir nicht von der Seite, räumte meine Wohnung um und stahl mein Herz.
Er pflanzt Bäume, spielt stundenlang mit Eis, sammelt persönliches Wasser in Kotbeuteln für Hunde, braucht für eine Matheaufgabe eine halbe Stunde (wobei er in null Komma nichts einen Kurzfilm dreht oder neue Wörter erfindet – in Englisch!), spricht mit meinen Tieren, putzt mit wachsender Begeisterung Fenster und mein Auto mit Hingabe.
Und lebt. In jeder Sekunde. Anders.
Ich erfand eine Bedeutungserweiterung des Wortes „Geduld“, essbares Essen, …... und mein Leben neu.
Wir entdecken die Welt. Gemeinsam.
Was bedeutet Glück?
Ach ja,
„nichts erwarten, nichts hoffen, nichts befürchten.“
Das konnte ich bisher nie.
Habe immer Sachen erwartet, hatte Angst, habe gehofft.
Bis jetzt.
Jetzt lebe ich.
Im Hier und Jetzt.
Mein gegenwärtiges Glück ist: ein Kind.
Dieses Kind.
Ich kann es kaum erwarten, bis er wieder vor meiner Haustür steht, Sturm klingelt.
Irgendetwas Neues mitbringt, was ihm wichtig ist.
Meine Wohnung unter Wasser setzt, Fußspuren nicht nur auf dem Parkettboden hinterlässt, die Küche mit Schokolade voll schmiert, einfach da ist (ich habe das Wort „nur“ gelöscht).
Er liebt Geräusche.
Ich liebe die Stille.
Ich denke.
Er macht.
Einfach.
Ich lerne.
Von ihm.
Jeden Tag.
Auch über mich.
Dinge, die ich unerwartet abweichend angehe, verändert sehe.
Dinge, die ich nie wissen wollte, die jedoch zu mir gehören.
Mit einem Mal will ich auch machen.
Nicht nur denken.
Ich habe angefangen aufzuräumen, zwei Reihen zu stricken.
Den Garten um zu graben.
Denke darüber nach wie ich am besten mit Nähen anfangen kann.
Wie war das?!
Nicht. Denken. Machen!
Dieses „machen“ macht etwas mit mir.
Mein Leben ist in null Komma nichts anstrengender als jedes Kampfsporttraining.
Ich habe immer noch Angst.
Weiß nicht, was morgen sein wird.
Ist das nicht verrückt?
Eigentlich wusste ich das nie.
Streiche „eigentlich“.
Ich wusste es nie.
Habe mich in meiner vollgepackten Welt der Aktivitäten im Kreis gedreht.
Reduziert auf das Wesentliche geht es mir nicht besser.
Vorher ging es mir nicht schlecht.
Es geht mir anders.
Es geht mir neu.